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Die Macht der Zahlen

Wie Prozentangaben Entscheidungen beeinflussen können


Bei Gesundheitsentscheidungen dient eine Risikoreduktion dazu, verschiedene Behandlungsoptionen miteinander zu vergleichen. Auf den folgenden Seiten können Sie Risikoreduktionen genauer unter die Lupe nehmen.

Schritt für Schritt erfahren Sie anhand verschiedener Beispiele und Übungen, wie Risikoreduktionen interpretiert werden und was dabei zu beachten ist.

Lassen Sie uns mit einem vertrauten Beispiel starten.


Was sagen Prozentangaben tatsächlich aus?


In Ihrem Alltag begegnen Ihnen häufig Prozentangaben. Aber was sagen die tatsächlich aus? Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Supermarkt vor dem Kühlregal mit Sonderangeboten. Ihnen fallen zwei reduzierte Joghurts auf. Durch welchen Preisnachlass sparen Sie am meisten?


Klicken Sie auf den richtigen Becher.


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ausgabe


Entscheidend für den Spareffekt sind nicht allein die Prozentangaben. Wichtig ist außerdem der Ausgangspreis.

Obwohl der prozentuale Preisnachlass bei dem roten Joghurt geringer ist, sparen Sie 0,10 mehr.

50% von 0,40 = 0,20
30% von 1,00 = 0,30

Prozentangaben in Gesundheitsinformationen

Prozentangaben in
Gesundheits-
informationen


In Gesundheitsfragen interessieren uns nicht reduzierte Preise, sondern die Reduktion von Risiken.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich zu einer Krebs- Früherkennungsuntersuchung informieren und finden folgende Anzeigen. Was denken Sie, welche Information würde Sie eher davon überzeugen, dass die Früherkennung wichtig ist?


Klicken Sie auf die Information.



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Prozentangaben können täuschen


Sie haben es wahrscheinlich bereits geahnt: Die Art und Weise, wie der Nutzen dargestellt wird, beeinflusst Ihre Entscheidung. Beide Aussagen beziehen sich auf die gleiche Früherkennung und sind statistisch korrekt. Sie haben jedoch eine unterschiedliche Aussagekraft.

Schauen wir uns zunächst an, wie die Ergebnisse entstanden sind.

Eine Studie – Ursprung der Ergebnisse



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Eine randomisiert-kontrollierte Studie kam zu dem Ergebnis, dass mit der Früherkennung eine Person weniger an Krebs verstirbt als ohne Früherkennung.

Wie ist es möglich, dass eine Person Unterschied als 0,1% und 25% dargestellt werden kann?

Um das besser zu verstehen, hilft uns die Frage: Prozent von was?

Absolute Risikoreduktion – 0,1% von was?








Die 0,1% in unserem Beispiel stellt die absolute Risikoreduktion dar und bezieht sich auf die konkrete Anzahl von Personen, die einen Nutzen durch die Früherkennung haben.

Die Anzahl der teilnehmenden Personen wird hierbei mit betrachtet.

Durch die Früherkennung wird 1 von 1000 Personen (0,1%) gerettet.

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Relative Risikoreduktion – 25% von was?






Die 25% in unserem Beispiel stellt die relative Risikoreduktion dar und bezieht sich auf die Anzahl der Todesfälle durch Krebs.

Die eine Person, die durch die Früherkennung weniger verstirbt, wird im Verhältnis zu den vier Todesfällen ohne Früherkennung betrachtet.

Mit der Früherkennung werden 1 von 4 (25%) Todesfälle verhindert.

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... ...

Das ist zu beachten



Die relative und absolute Risikoreduktion sind zwei verschiedene Möglichkeiten den Effekt einer Behandlung zu beschreiben. Allerdings ist es wichtig bei der Interpretation die jeweilige Aussagekraft zu berücksichtigen:

Die relative Risikoreduktion (25% in unserem Beispiel):

  • nimmt meist größere Werte an und wirkt oft beeindruckender,
  • gibt keine Aufschlüsse über die konkrete Anzahl von Personen mit einem Nutzen.

Die absolute Risikoreduktion (0,1% in unserem Beispiel):

  • ist für Entscheidungen bedeutsamer, weil sich daraus verlässlichere Rückschlüsse auf den Nutzen der Behandlung ableiten lassen.


Die Zahlen für das Beispiel stammen von der Sigmoidoskopie (kleine Darmspiegelung) als Früherkennungsuntersuchung für Darmkrebs. Wenn Sie sich mit Früherkennungsuntersuchungen beschäftigen, werden Ihnen wahrscheinlich noch mehr Beispiele auffallen, bei denen die relative Risikoreduktion beeindruckender ist als die absolute Risikoreduktion.

Wenn Sie mehr über Früherkennungen erfahren möchten, finden Sie hier einen Artikel über den Nutzen und Schaden von Früherkennungsuntersuchungen.

Wenn Sie ein weiteres Beispiel zur relativen und absoluten Risikoreduktion haben möchten, finden Sie hier eines zum Thema Ernährung.

Testen Sie Ihr Wissen


Berechnen Sie die relative und absolute Risikoreduktion für das folgende fiktive Beispiel:


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Relative Risikoreduktion



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Mit der der Behandlung werden 5 Erkrankungen verhindert. Ohne Behandlung erkranken 10 Personen. Mit der Behandlung wird also die Hälfte vor der Erkrankung geschützt. Die relative Risikoreduktion liegt also bei 50%.



Absolute Risikoreduktion



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Es erkranken 10 von 100 Personen ohne Behandlung und 5 von 100 Personen mit Behandlung. Mit Behandlung erkranken also 5 von 100 Personen weniger. Anders ausgedrückt: 10% - 5% = 5%


Der Einfluss des Basisrisikos









In diesem Beispiel geht es um das Risiko in den nächsten 10 Jahren erstmalig einen Herzinfarkt zu erleiden. Das Risiko hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein.

Die Grafik zeigt zwei Gruppen mit unterschiedlichem Basisrisiko. Das Basisrisiko gibt an, wie viele Personen ohne jegliche Behandlung in unserem Fall in den nächsten 10 Jahren erstmalig einem Herzinfarkt erleiden.

Durch die Behandlung mit einem bestimmten Medikament kann das Risiko um relativ 20 % gesenkt werden.

Lassen Sie uns nun gemeinsam überprüfen, welchen Einfluss das individuelle Basisrisiko auf den Nutzen der Behandlung hat.



Personen mit hohem Basisrisiko



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Relative Risikoreduktion berechnen:

%
RRR=
=
%
...


Absolute Risikoreduktion berechnen:

ARR=
%
%
=
...


Personen mit geringem Basisrisiko



...
...


Relative Risikoreduktion berechnen:

%
RRR=
=
%
...


Absolute Risikoreduktion berechnen:

ARR=
%
%
=
...



Fazit


...

Relative Risikoreduktion = 20%

Absolute Risikoreduktion = 4 von 100

...

Relative Risikoreduktion = 20%

Absolute Risikoreduktion = 1 von 100



Obwohl die relative Risikoreduktion in beiden Gruppen identisch war, unterscheidet sich der Nutzen für die Personen je nach Basisrisiko.

Während bei 4 von 100 Personen mit hohem Basisrisiko ein Herzinfarkt durch das Medikament verhindert werden kann, profitiert nur 1 von 100 Personen mit niedrigem Basisrisiko. Der Nutzen des Medikamentes ist also von dem Risiko abhängig, einen Herzinfarkt zu erleiden.

Halten Sie für Entscheidungen daher Ausschau nach absoluten Risikoreduktionen in Verbindung mit dem Basisrisiko.


Übungen


Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass in unseren Beispielen die Vergleichsgruppen immer gleichgroß waren. Das ist aber nicht immer so. In den nachfolgenden Übungen lernen Sie die Berechnung der absoluten und relativen Risikoreduktion, wenn die Gruppen nicht gleichgroß sind.

Außerdem finden Sie ein Beispiel, wie Werbung von Pharmaunternehmen auch Ärzt*innen beeinflussen kann.

Die Übungsaufgaben steigen in Ihrer Schwierigkeit. Wenn Sie noch keine oder wenig Erfahrung mit der Berechnung haben, empfehlen wir Ihnen mit Aufgabe 1 zu beginnen.


Card image cap
Aufgabe 1

In dieser Aufgabe lernen Sie Schritt für Schritt, wie Sie mithilfe von Ereignisraten die Risikoreduktionen bei unterschiedlichen Gruppengrößen berechnen.

Card image cap
Aufgabe 2

Festigen Sie die Berechnung der Risikoreduktionen mithilfe von Ereignisraten. Das Besondere: Die Grafik wird durch eine Tabelle ersetzt und neue Begriffe werden eingeführt.

Card image cap
Aufgabe 3

Ein großes Pharmaunternehmen wirbt in einer Anzeige für ihr neues Medikament. Berechnen Sie in dieser Aufgabe, was tatsächlich in den 20 % steckt.

In dieser Aufgabe lernen Sie Schritt für Schritt, wie Sie mithilfe von Ereignisraten die Risikoreduktionen bei unterschiedlichen Gruppengrößen berechnen.

Festigen Sie die Berechnung der Risikoreduktionen mithilfe von Ereignisraten. Das Besondere: Die Grafik wird durch eine Tabelle ersetzt und neue Begriffe werden eingeführt.

Ein großes Pharmaunternehmen wirbt in einer Anzeige für ihr neues Medikament. Berechnen Sie in dieser Aufgabe, was tatsächlich in den 20 % steckt.



Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss dieser Lerneinheit!

Sie haben sich nun umfänglich mit der Interpretation und Berechnung von Risikoreduktionen vertraut gemacht.

Wir hoffen, dass Sie von diesem Wissen in Ihrem beruflichen und persönlichen Leben profitieren können und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Anwendung.

Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


Aufgabe 1


Berechnen Sie die relative und absolute Risikoreduktion für das folgende fiktive Beispiel:


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Da die Gruppengrößen nun unterschiedlich groß sind, können wir die erkrankten Personen nicht mehr einfach ins Verhältnis setzen. Wir müssen daher als Erstes die Ereignisraten berechnen. Die Ereignisrate beschreibt die relative Häufigkeit, in der das Ereignis in einer Gruppe auftritt. In unserem Beispiel sind das die Personen, die ohne beziehungsweise mit Behandlung erkranken.


Formel für Ereignisrate:

...


Ereignisrate berechnen:
Ereignisrate
ohne
ohne
=
=
Behandlung


Ereignisrate
mit
mit
=
=
Behandlung




Relative Risikoreduktion


Formel für relative Risikoreduktion:

...


Relative Risikoreduktion berechnen:

%
%
RRR =
=
%


Absolute Risikoreduktion


Formel für absolute Risikoreduktion:

...


Absolute Risikoreduktion berechnen:

ARR =
%
%
=


Aufgabe 2


Berechnen Sie die relative und absolute Risikoreduktion für das folgende fiktive Beispiel:


Gruppe erkrankte Personen nicht erkrankte Personen Gesamtanzahl untersuchter Personen
Kontrollgruppe 23 184 197
Interventionsgruppe 17 186 203

Statt in einer übersichtlichen Grafik finden Sie die Ergebnisse nun in einer Tabelle. Weiterhin hat sich die Bezeichnung der Gruppen verändert. Die Kontrollgruppe hat keine Behandlung erhalten. Die Interventionsgruppe hat eine Behandlung erhalten.


Berechnen der Ereignisrate:

Ereignisrate in
Kontroll-
=
=
=
gruppe


Ereignisrate in
Interventions-
=
=
=
gruppe


Formel Ereignisrate:
...


Relative Risikoreduktion


Relative Risikoreduktion berechnen:

%
%
RRR =
=
%

Formel für relative Risikoreduktion:

...



Absolute Risikoreduktion


Absolute Risikoreduktion berechnen:

ARR =
%
%
=

Formel für aboslute Risikoreduktion:

...

Aufgabe 3



Ein großes Pharmaunternehmen macht für eines ihrer neuen Medikamente Werbung. Durch das neue Medikament sinkt die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen mit Herzinsuffizienz (Herzschwäche) um 20 %. In einer Studie wurde das neue Medikament (Entresto) mit einem bewährten Mittel (Enalapril) verglichen. Dabei kam es zu folgenden Ergebnissen:

Probanden die durch ein kardio- vaskuläres Ereignis gestorben sind Probanden die nicht durch ein kardiovaskuläres Ereignis gestorben sind Gesamtanzahl der Probanden
Behandlung mit Entresto 558 Probanden 3629 Probanden 4187 Probanden
Behandlung mit Enalapril 693 Probanden 3519 Probanden 4212 Probanden

Bestimmt ahnen Sie es bereits: Bei den angegebenen 20% handelt es sich um die relative Risikoreduktion.
Berechnen Sie aus den tabellarischen Angaben die absolute Risikoreduktion. Was fällt Ihnen auf?


Ereignisrate mit Entresto
=
=


Ereignisrate mit Enalapril
=
=

Formel Ereignisrate:
...


ARR =
%
%
=


Formel für absolute Risikoreduktion:
...


Fazit


Auch hier fällt die absolute Risikoreduktion deutlich geringer aus als die beeindruckende relative Risikoreduktion von 20%.





Quellen

Die Ergebnisse, die in der Werbung präsentiert wurden stammen aus der nachfolgenden Studie. In der Studie wurde ein Hazard Ratio von 0,8 berechnet. Hieraus wurde zur Vereinfachung die relative Risikoreduktion abgeleitet.

McMurray, J. J. V., Packer, M., Desai, A. S., Gong, J., Lefkowitz, M. P., Rizkala, A. R., Zile, M. R. (2014). Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. The New England Journal of Medicine, 371(11), 993–1004. doi: 10.1056/NEJMoa1409077
Hier gelangen Sie direkt zur Studie.

Quellen